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Vorfreude. Der Frühnebel lag noch sanft über den grünen Feldern als sie mit klopfendem Herzen ins Taxi stieg. Es ging los. Still lächelte sie vor sich hin. Was wartete wohl dieses Mal in der Ferne auf sie? ‚Zum Hauptbahnhof, bitte‘, wies sie den Fahrer auf seine Frage hin freundlich an. Er startete den Motor und beschleunigte in ruhigem Tempo den Wagen. Aufatmen. Nach einer Weile drehte sie sich noch einmal um, und sah gerade noch das sich stetig entfernende Haus hinter einer Kurve verschwinden. Ein kleines Stück Wehmut schlich sich in ihre kribbelnde Aufregung. Sie würde ihr Zuhause für eine ganze Weile nicht wiedersehen. Loslassen. Sie seufzte leise und schaute nach vorn die in der aufgehenden Sonne liegende Allee entlang. Stefan. Hatte er mit seiner Bemerkung gestern recht? War sie auf der Flucht? Und wovor eigentlich? Grübelnd lehnte sie sich an die bequeme Rückenlehne und schloss die Augen. Ruhig ließ sie den vergangenen Tag Revue passieren. Sie hatte das Projekt noch rechtzeitig und sehr erfolgreich zum Abschluss gebracht. Nach ihrer Rückkehr würde etwas Neues beginnen, doch sie wusste, dass auch der nächste Auftrag schon bald zur Routine verkommen würde. Alltagstrott. Ja, davor floh sie ganz bestimmt. Und auch vor diesen Tagen, die irgendwie nur aus Zähneputzen zu bestehen schienen. Schmunzelnd dachte sie an ihren Bruder, der für stressige Zeiten in seiner Agentur genau denselben Ausdruck gebrauchte. Denn an diesen nicht enden wollenden Projekttagen schien alle Zeit zwischen Morgen und Abend zu verschwimmen und zwischen dem Zähneputzen eins zu werden. In diesen intensiven Arbeitsphasen blieb nicht viel Zeit für Abwechslung und sie verbrachte die kurzen Abende oft erschöpft und in monotoner Langeweile allein vor dem Fernseher. Ein Frevel für den unternehmungslustigen, sportlich begeisterten Stefan. ‚Vielleicht fliehst Du vor Dir selbst?‘, hatte ihr alter Schulfreund zu späterer Stunde vorsichtig in sein leeres Glas gemurmelt. Stillstand. Sie schüttelte energisch mit dem Kopf und verwarf ihre trüben Gedanken. Sie war wieder unterwegs. Nur das zählte für die nächsten Wochen. Das Taxi hatte die Stadtgrenze bereits passiert und fuhr in einem leichten Bogen zwischen den sich auftürmenden Hochhäusern über den Ring auf den Hauptbahnhof zu. Ein Blick auf die Uhr versprach noch reichlich Zeit für einen Kaffee vor der Abfahrt des Zuges.
Südafrika. Sie hatte einen Traum. 1000 Sterne. Die Geparden. Ein Lächeln.